Fraisenstein / Schabstein - Amulett vom niederösterreichischen Gnaden- und Wallfahrtsort Sonntagberg (Bezirk Amstetten). Wohl 18./19. Jahrhundert, seltener Fraisenstein mit farbiger Bemalung aus Ton, rückseitig mit Schabspuren, Reparatur.
Im Auftrag des Stifts Seitenstetten als Betreiber des Wallfahrtsortes wurden die Fraisensteine vom frühen 18. Jahrhundert bis ins frühe 20. Jahrhundert hergestellt. Nach der Überlieferung wurden in die Tonmasse einige Partikel des sogenannten “heiligen Zeichensteins” eingearbeitet, der neben dem Gnadenbild der Heiligen Dreifaltigkeit als zweites Heiltum verehrt wird. Mit dem wundertätigen Gnadenbild an der Vorderseite und durch die eingearbeiteten Partikel war der “Fraisenstein” fest mit den Heiltümern am Sonntagberg verbunden und als Amulett sehr geschätzt.
Wer eine Wallfahrt auf den Sonntagberg unternahm, konnte dort dem Gnadenbild sein Ansuchen und Gebete vortragen und auch um einen “Fraisenstein” bitten. Ein solches Amulett konnte sich nämlich im Krankheits- oder Verletzungsfall – so berichten die überlieferten Mirakelberichte – als äußerst nützlich erweisen. Vergleichbar mit den Schabmadonnen aus Einsiedeln (Schweiz) konnte Pulver vom Stein abgekratzt und wie Medizin eingenommen werden. In den Zeiten, in denen es kaum ärztliche Hilfe gab, waren solche Amulette und Hilfsmittel zur Krankenheilung sehr begehrt. Es ist überliefert, dass Ärzte des 18. und 19. Jahrhunderts bei schweren Krankheitsfällen die Kranken oft an die Wallfahrtsorte verwiesen.
Eine beliebte Maßnahme gegen allerlei gesundheitliche Probleme war auch das Trinken von Wasser, in welches der Fraisenstein eingelegt wurde. Gelegentlich ist auch das Auflegen der Fraisensteine auf schmerzende Stellen des Körpers überliefert. Zusätzlich zum Gebrauch des Fraisenstein waren Pilgernde dazu angehalten, sich – voller Vertrauen, wie stets betont wird – an die Heilige Dreifaltigkeit zu wenden und im Falle einer Heilung eine frohe Nachricht davon zu verbreiten - ganz gemäß Tobit 12,22: Und sie verkündeten überall, welch große und wunderbare Dinge Gott getan hatte […].
Im Stiftsarchiv Seitenstetten sind zahlreiche Briefe an den Schatzmeister am Sonntagberg überliefert, in denen Gläubige von der ihnen widerfahrenen Gnade und dem Gebrauch der Fraisensteine berichten. Oft waren diesen Berichten als Dank auch Opfergaben für die Heilige Dreifaltigkeit beigegeben – nicht selten der gebrauchte Fraisenstein selbst, sogar in Silber oder Gold gefasst.
Ein schönes Stück für Sammler von sakraler Volkskunst, Volksglauben und Volksmedizin.
Quellen: Josef Bartelt, Anhänger und Amulette in Volksglauben und Volksmedizin und Hermann Maurer, Sonntagbergsteine aus dem Waldviertel. Ein Beitrag zu den Schab- und Fraisensteinen vom Sonntagberg. Unsere Heimat - Zeitschrift für Landeskunde von Niederösterreich 78. 2007. S. 43 - 47.
Größe: ca. 14,5 x 11,5 cm
Gewicht: 226 g
Tags: sakrale Antiquitäten, sakrale Volkskunst, alpenländischer Volksglauben, Amulette Barock, Volksmedizin