Fraisenkette / Schreckstein-Kette - Silber, 18. Jahrhundert

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Sehr seltene Fraisenkette - auch als Verschreistein-Kette oder Schreckstein-Kette benannt - ein barockes Schutzobjekt zwischen Volksmedizin, Magie und religiöser Praxis. Die sogenannte Fraisenkette, regional auch als Verschreisteinkette oder Schrecksteinkette bezeichnet, gehört zu den seltensten und zugleich aussagekräftigsten Amulettformen des alpenländischen Raums. Sie ist ein eindrucksvolles Zeugnis vormoderner Schutz- und Heilvorstellungen, in denen Volksglaube, medizinisches Erfahrungswissen und religiöse Symbolik eine untrennbare Einheit bildeten. Besonders in der Zeit vom 17. bis ins frühen 19. Jahrhundert fand diese Kettenform Verwendung – bevorzugt bei Frauen während Schwangerschaft und Wochenbett.

Das hier behandelte Exemplar, als Kropfkette ausgeführt und mit mehrfach gefassten Schreck- bzw. Verschreisteinen besetzt, ist aufgrund seiner Geschlossenheit, Materialwahl und Erhaltung als außergewöhnlich selten einzustufen und dürfte in dieser Form einzigartig sein.

Die Ausführung als Kropfkette ist kein Zufall. Der Hals galt im volksmedizinischen Denken als neuralgischer Übergangsbereich zwischen Körper und Seele. Hier verlaufen Atem, Sprache und Lebenskraft. Gleichzeitig war der Hals Sitz des Kropfes, einer im Alpenraum weit verbreiteten Erkrankung, die ebenfalls mit magisch-apotropäischen Mitteln behandelt wurde. Das Tragen einer schweren, steinbesetzten Kette direkt am Hals sollte einerseits schützen, andererseits ordnend und stabilisierend auf den Körper wirken. In Inventaren und musealen Vergleichsstücken – etwa im Volkskundemuseum Wien oder im Volksmuseum Joanneum – finden sich Kropfketten sowohl mit religiösen Anhängern als auch mit explizit magisch verstandenen Steinen.

Diese authentische Fraisenkette ist weit mehr als ein Kuriosum. Sie ist ein hochgradig seltenes kulturhistorisches Dokument, das Einblick in weibliche Lebenswelten, medizinische Grenzbereiche und den Umgang mit existenzieller Angst gibt. Für Sammler von Volkskunst, religiösen Kleinodien und frühneuzeitlichen Amuletten stellt ein solches Stück eine außergewöhnliche Bereicherung dar – nicht zuletzt aufgrund seiner Seltenheit, Materialität und inhaltlichen Tiefe.

Länge: ca. 40 cm
Breite: ca. 1,5 cm
Anzahl Amulette: 3 Amulette aus Bandachat, 7 Amulette aus Serpentin
Fassungen: 13 Lot Silber

 

Der Begriff „Fraisenkette“ – Krankheitsvorstellung und Deutung

Der Ausdruck „Fraisen“ bezeichnete in der historischen Volksmedizin keinen klar umrissenen Krankheitsbegriff, sondern ein Bündel bedrohlicher Symptome bei Säuglingen und Kleinkindern. Darunter verstand man vor allem Krämpfe, Bewusstseinsstörungen, plötzliches Schreien, Gedeihstörungen sowie epileptiforme Anfälle. In der medizinischen Fachliteratur der Frühen Neuzeit finden sich Überschneidungen mit dem, was man heute als Epilepsie, Tetanie oder schwere Mangelerscheinungen deuten würde.

Als Hauptursache galt nicht ein körperlicher Defekt, sondern eine Störung durch äußere Einflüsse: das Erschrecken der Mutter, das „Verschreien“ des Kindes, der böse Blick oder dämonische Einwirkungen. Besonders die Schwangerschaft wurde als hochgradig gefährdete Phase verstanden, in der seelische Erregung unmittelbar auf das ungeborene Kind übergehen könne.

Verschreien, Erschrecken und der „böse Blick“

Das Verschreien bezeichnete nach volkstümlicher Vorstellung eine unbeabsichtigte oder absichtliche Schädigung durch Blick, Wort oder Gedanken. Ein plötzliches Erschrecken der Schwangeren – etwa durch Lärm, Tiere oder Schreckensnachrichten – konnte nach zeitgenössischer Auffassung Missbildungen, Schwäche oder spätere Fraisen beim Kind verursachen.

Der böse Blick spielte dabei eine zentrale Rolle. Ihm schrieb man die Fähigkeit zu, Lebensenergie zu rauben oder das fragile Gleichgewicht des ungeborenen Lebens zu stören. Schutzmaßnahmen mussten daher dauerhaft am Körper getragen werden – vorzugsweise nahe am Hals oder der Brust, also in unmittelbarer Nähe zu Atem, Stimme und Herz.

Schreck- und Verschreisteine – Material und Bedeutung

Als Schrecksteine wurden bevorzugt Serpentine und Achate, insbesondere Bandachate, verwendet. Diese galten als besonders wirksam gegen Schreck, Krämpfe und unruhige Gemütszustände. Die gebänderte Struktur wurde als sichtbarer Ausdruck von Ordnung, Maß und Ausgleich verstanden – Eigenschaften, die man auf den Körper übertragen wollte.

In der barocken Amulettpraxis wurden diese Steine oval geschliffen und einzeln in Silber gefasst. Die wiederholte Reihung mehrerer Steine innerhalb einer Kette verstärkte nach zeitgenössischer Vorstellung ihre Schutzwirkung. Silber galt zusätzlich als reinigend und abwehrend, insbesondere gegenüber dämonischen Einflüssen.

Fraisen- oder Verschreisteinketten wurden nicht als Schmuck im heutigen Sinn getragen, sondern als funktionale Schutzobjekte. Sie begleiteten Frauen über Monate hinweg, wurden teils nur zu bestimmten Anlässen angelegt – etwa bei Unruhe, Geburtswehen oder Krankheit – und konnten im Wochenbett erneut zum Einsatz kommen.

In einzelnen Regionen ist belegt, dass solche Ketten vor dem ersten Tragen gesegnet oder mit Gebeten begleitet wurden. Die Grenze zwischen religiösem Andachtsobjekt und magischem Amulett war fließend und wurde im Alltag kaum reflektiert.

Einordnung im musealen und wissenschaftlichen Kontext

Vergleichbare Objekte befinden sich heute in spezialisierten Sammlungen, unter anderem im Volkskundemuseum Wien, im Volksmuseum Joanneum, im Kunsthistorischen Museum Wien sowie in regionalen Museen Salzburgs, Tirols, Bayerns und des gesamten alpenländischen Raums. Vollständig erhaltene Fraisenketten mit mehrfachen Schrecksteinen sind jedoch ausgesprochen selten.

Die Forschung – etwa bei Josef Bartelt, Lenz Kriss-Rettenbeck oder Helmut Nemec – betont die Rolle solcher Objekte als Ausdruck eines kohärenten, in sich logischen Weltbildes, das Krankheit nicht isoliert, sondern als Störung kosmischer und sozialer Ordnung verstand. Auch Arbeiten von Liselotte Hansmann, Peter Weninger und Manfred Brauneck tragen zur kulturhistorischen Einordnung apotropäischer Objekte im Alltag bei.

Die Fraisenkette steht exemplarisch für eine Epoche, in der Schutz, Heilung und Glaube nicht getrennt gedacht wurden. Als Verschreisteinkette oder Schrecksteinkette verkörpert sie die Hoffnung, durch Ordnung, Material und Ritual dem Unkontrollierbaren zu begegnen. In ihrer barocken Ausprägung ist sie ein eindrucksvolles Zeugnis gelebter Volkskultur – selten, berührend und von hoher historischer Aussagekraft.

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