Scharfrichter in Österreich

Die Geschichte der Scharfrichter in Österreich reicht bis ins Mittelalter zurück. Diese gefürchteten, aber essenziellen Akteure der Justizvollstreckung waren oft stigmatisiert und lebten am Rand der Gesellschaft. Ihre Aufgabe war es, Urteile zu exekutieren, doch sie spielten auch eine Rolle in der Medizin und im Handwerk. Der folgende Artikel beleuchtet die historische Entwicklung dieses Berufs in Österreich und zeigt, wie sich die Wahrnehmung des Scharfrichters im Lauf der Jahrhunderte wandelte.
Die Ursprünge des Scharfrichteramtes
Mit der Entstehung des mittelalterlichen Rechtswesens wurde die Vollstreckung von Todesurteilen institutionalisiert. Scharfrichter, oft aus Abdecker- oder Henkersfamilien stammend, wurden von den Obrigkeiten angestellt, um Todes- und Leibesstrafen zu vollziehen. In der österreichischen Geschichte wurde der Beruf des Scharfrichters (auch Nachrichter oder Henker genannt) etwa ab dem späten Mittelalter offiziell etabliert, im 13. und 14. Jahrhundert begannen größere Städte im heutigen Österreich, feste Scharfrichterämter einzurichten. Das Wiener Stadtrecht aus dem 13. Jahrhundert enthielt bereits Bestimmungen zu Henkersdiensten - in Wien gibt es Belege für fest angestellte Scharfrichter erst ab dem 14. Jahrhundert.
Während des Mittelalters war das Amt des Scharfrichters mit verschiedenen Rechten und Pflichten verbunden. In einigen Regionen erhielten Scharfrichter spezielle Privilegien, etwa das Recht, verlassene Häuser zu beziehen oder Tierkadaver zu verwerten. Gleichzeitig durften sie oft nicht mit anderen Bürgern Handel treiben oder öffentliche Ämter bekleiden. Trotz dieser gesellschaftlichen Ächtung wurden sie von der Obrigkeit geschützt und oft gut entlohnt.
Die Ausbildung der Scharfrichter
Die Ausbildung erfolgte meist innerhalb der Familie oder durch Mentoren, die bereits in diesem Gewerbe tätig waren. Viele Scharfrichter stammten aus Dynastien, in denen das Handwerk über Generationen weitergegeben wurde. Söhne wurden von klein auf in die Kunst des Richtens eingeführt, indem sie zunächst als Gehilfen dienten. Sie lernten den fachgerechten Umgang mit Richtschwert, Beil und Folterinstrumenten sowie die medizinischen Kenntnisse zur Behandlung von Verletzungen – eine Fähigkeit, die ihnen auch das Recht einbrachte, als Wundärzte zu arbeiten. In einigen Städten mussten sie zudem Prüfungen ablegen oder eine bestimmte Anzahl von Exekutionen unter Aufsicht eines erfahrenen Meisters durchführen, bevor sie eigenständig tätig werden durften.
Gesellschaftliche Stellung der Scharfrichterfamilien
Scharfrichter und ihre Familien standen am Rand der Gesellschaft und wurden oft gemieden. Besonders die Frauen und Töchter der Henker hatten es schwer, da sie kaum Chancen auf eine Eheschließung außerhalb der Scharfrichterdynastien hatten. Viele mussten innerhalb ihres Standes heiraten oder blieben ledig. Auch die Kinder von Scharfrichtern waren von Diskriminierung betroffen: Sie durften oft nicht an öffentlichen Schulen unterrichtet werden und mussten sich auf Berufe beschränken, die mit dem Gewerbe ihrer Familie zusammenhingen, etwa als Wundärzte oder Tierkadaververwerter. Trotzdem entwickelten sich einige Familien zu angesehenen Fachleuten, insbesondere im Bereich der Medizin, da Scharfrichter viel anatomisches Wissen besaßen.
Die Rolle des Scharfrichters
Die Hauptaufgabe des Scharfrichters bestand in der Vollstreckung von Hinrichtungen, die je nach Epoche durch Enthauptung, Hängen, Vierteilen oder das Rad erfolgten. Darüber hinaus war er oft für die Folter zur Wahrheitsfindung verantwortlich, insbesondere in der Frühneuzeit. In einigen Fällen war er auch für die öffentliche Zurschaustellung der Bestraften zuständig, etwa indem er die Leichen an Galgen oder Rädern präsentierte, um abschreckende Beispiele zu schaffen.
Das Rädern – eine grausame Strafe
Das Rädern galt als eine der brutalsten Hinrichtungsarten des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Der Verurteilte wurde dabei zunächst auf ein Holzgestell gefesselt, während der Scharfrichter mit einem schweren, mit Eisen beschlagenen Rad gezielt auf die Gliedmaßen einschlug. Begonnen wurde meist mit den Beinen, indem die Schienbeine zertrümmert wurden, gefolgt von den Armen. Das Ziel war es, den Körper so weit zu deformieren, dass er um die Speichen eines großen Rades gewunden werden konnte, welches anschließend auf einer hohen Stange befestigt wurde. Dort blieb der Sterbende oft noch stunden- oder tagelang sichtbar als abschreckendes Beispiel für die Bevölkerung.
In manchen Fällen wurde das „Gnadenstoß“-Verfahren angewendet, bei dem der Scharfrichter den Delinquenten nach dem Bruch der Gliedmaßen mit einem finalen Schlag auf Brust oder Hals vom Leiden erlöste. In anderen Fällen ließ man die Opfer bewusst lange leiden, insbesondere bei besonders schweren Verbrechen wie Raubmord. Das Rädern wurde in Österreich bis ins 18. Jahrhundert praktiziert, bevor es durch humanere Hinrichtungsmethoden ersetzt wurde.
Brustzwicken – eine Methode der Folter
Eine besonders grausame Foltermethode war das sogenannte Brustzwicken. Dabei wurden glühend heiße Zangen verwendet, um den Delinquenten Fleischstücke aus Brust, Armen und Rücken zu reißen. Diese Methode wurde häufig zur „peinlichen Befragung“ angewandt, um Geständnisse zu erzwingen, besonders in Prozessen wegen Hexerei oder Ketzerei. Je nach Verbrechen konnte das Zwicken über mehrere Stunden hinweg durchgeführt werden, wobei die Opfer durch die massiven Verbrennungen und Wunden oft das Bewusstsein verloren. In besonders brutalen Fällen wurden die glühenden Zangen auch an anderen Körperstellen angesetzt, was zu unsagbarem Leid führte. Das Brustzwicken war eine gefürchtete Strafe, die oft als Einleitung einer Hinrichtung diente, um den Delinquenten vor der eigentlichen Exekution noch zusätzlich zu bestrafen.
Entlohnung und Zusatzeinnahmen
Scharfrichter wurden für ihre Tätigkeit vom Staat oder der Stadtverwaltung bezahlt. Die Entlohnung bestand aus einem Grundlohn sowie zusätzlichen Zahlungen für jede vollstreckte Hinrichtung oder Folter. Beispielsweise erhielt ein Scharfrichter in Wien im 17. Jahrhundert für eine Enthauptung rund 10 Gulden, während eine Hängung mit 6 Gulden entlohnt wurde. Zusätzlich gab es ein sogenanntes Wartgeld, eine Art Grundgehalt, um die Zeiten ohne Exekutionen finanziell zu überbrücken. Knechte und Gehilfen mussten aus diesen Einnahmen bezahlt werden.
Ein weiteres bedeutendes Einkommen erzielten Scharfrichter aus dem Verkauf von Körperteilen und Überresten hingerichteter Verbrecher. Besonders gefragt war das sogenannte „Armesünderfett“, das aus dem Körperfett von Hingerichteten gewonnen wurde. Es galt in der Volksmedizin als Heilmittel gegen verschiedene Beschwerden, darunter Gelenkschmerzen und Hautkrankheiten. Auch Knochen, Haare und manchmal sogar Blut von Hingerichteten wurden als magische oder heilende Substanzen verkauft. Diese Nebeneinnahmen machten den Beruf finanziell lukrativer, auch wenn die gesellschaftliche Ächtung bestehen blieb.
Fazit
Die Geschichte der Scharfrichter in Österreich ist ein faszinierendes Kapitel der Rechtsgeschichte. Heute erinnern Museen wie das Volkskundemuseum Wien oder das Volksmuseum Joanneum an diese einst berüchtigte Zunft und lassen uns einen Blick in die dunkle Vergangenheit der Justiz werfen.
Quellen und Danksagung
Quellen
Die Recherche für diesen Artikel stützte sich auf verschiedene historische und volkskundliche Quellen, insbesondere aus dem mitteleuropäischen Raum. Besonders wertvoll waren Informationen aus den folgenden Institutionen:
- Volkskundemuseum Wien – Sammlungen zur Rechtsgeschichte Österreichs
- Volkskundemuseum Joanneum (Graz) – Dokumentationen zur Rechtsgeschichte
- Kunsthistorisches Museum Wien – Bildquellen und Artefakte
- Volkskundemuseum Salzburg, Tirol und Bayern – Einblicke in lokale Praktiken und traditionelle Methoden
Zusätzlich wurden historische und volkskundliche Werke der folgenden Autoren herangezogen:
- Heinz Moser – Die Scharfrichter in Tirol, Beitrag zur Geschichte des Strafvollzuges in Tirol von 1497-1787
Danksagung
Besonderer Dank gilt den wissenschaftlichen Mitarbeitern der oben genannten Institutionen sowie den Historikern, die sich intensiv mit dem Strafvollzug in Österreich befasst haben. Ihre Forschungen und Archivarbeiten haben wesentlich zum Verständnis der damaligen Rechtsgeschichte beigetragen.
Ebenso danke ich den Bibliotheken und digitalen Archiven, die wertvolle historische Quellen zugänglich machen, darunter das Österreichische Staatsarchiv und die Bayerische Staatsbibliothek, deren Dokumentensammlungen wertvolle Einblicke liefern.
Dieser Artikel ist eine Zusammenfassung historischer Forschungsergebnisse und soll zur weiteren Auseinandersetzung mit der Kriminalgeschichte Österreichs anregen.
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