Krankheiten im Barock

Krankheiten im Barock - Medizinische Herausforderungen und gesellschaftliche Reaktionen
© Pieter Bruegel der Ältere - Museo del Prado, Madrid, Spanien

 

Die Barockzeit (ca. 1600–1750) war geprägt von prachtvoller Kunst und Architektur, aber auch von erheblichen gesundheitlichen Herausforderungen. Epidemien wie die Pest und Pocken, mangelnde Hygiene sowie begrenztes medizinisches Wissen beeinflussten das tägliche Leben der Menschen maßgeblich.

Vorherrschende Krankheiten und Epidemien

Pest in Wien

Wien erlebte im 17. Jahrhundert mehrere verheerende Pestwellen, die die Bevölkerung stark dezimierten. Besonders dramatisch war die Pestepidemie von 1679, die als eine der schwersten in der Stadtgeschichte gilt. Zeitgenössische Quellen berichten, dass fast ein Drittel der Wiener Bevölkerung – Schätzungen gehen von bis zu 76.000 Toten aus – an der Krankheit starb.

Verlauf der Epidemie
Die Pest erreichte Wien über Handelsrouten aus dem Osten und verbreitete sich in den engen, unhygienischen Gassen der Vorstädte rasant. Ärzte und Heiler waren machtlos, und viele Bewohner flohen aufs Land. Der kaiserliche Hof verließ die Stadt zeitweise, während Seuchenscharen – speziell eingesetzte Truppen – versuchten, infizierte Häuser abzuriegeln und Quarantänemaßnahmen durchzusetzen.

Maßnahmen und Reaktionen
Um die Seuche einzudämmen, setzte man auf die damals verbreitete Miasmenlehre, wonach schlechte Luft für die Krankheit verantwortlich sei. Straßen wurden ausgeräuchert, Feuer in Gassen entzündet und duftende Kräuter verbrannt. Pestärzte, die mit ihren ikonischen Schnabelmasken auftraten, versuchten, Kranke zu behandeln, doch ihre Mittel waren weitgehend wirkungslos.

Zugleich wurden religiöse Maßnahmen ergriffen: Kaiser Leopold I. gelobte im Zuge der Epidemie den Bau der berühmten Pestsäule am Graben, die 1693 vollendet wurde. Ähnliche Pestdenkmäler entstanden in vielen Städten des Habsburgerreichs als Dank für das Ende der Seuche. Die Pest von 1679 hinterließ in Wien tiefe Spuren. Nach der Epidemie wurden erste Ansätze eines strukturierten Gesundheitswesens entwickelt. Neue Maßnahmen zur städtischen Hygiene wurden ergriffen, darunter die Verbesserung der Wasserversorgung und die schrittweise Einführung von Abwassersystemen. Dennoch brach die Pest 1713 erneut aus, was zeigte, dass medizinische Fortschritte noch lange auf sich warten ließen.

Die Pestepidemien des Barock prägten das kollektive Gedächtnis Wiens nachhaltig. Viele barocke Kirchen, Denkmäler und Kunstwerke erinnern noch heute an diese Zeit des Leidens und der Hoffnung auf göttlichen Beistand.

Pocken

Die Pocken waren im Barock eine der gefürchtetsten Krankheiten und betrafen alle Gesellschaftsschichten, von einfachen Bürgern bis hin zu Mitgliedern des kaiserlichen Hofes. Die Krankheit, die sich durch hohes Fieber, Hautausschlag und eine hohe Sterblichkeit auszeichnete, hatte in Wien verheerende Auswirkungen.

Besonders im 18. Jahrhundert wüteten mehrere Pockenepidemien in Wien, wobei die Jahre 1710, 1730 und 1767 als besonders schwere Seuchenausbrüche dokumentiert sind. In den dicht besiedelten Stadtvierteln mit schlechten hygienischen Bedingungen konnten sich die Pocken ungehindert verbreiten. Kinder waren besonders gefährdet, und die Sterberaten lagen oft über 30 %.

Ein prominentes Beispiel für die Bedrohung durch die Pocken war Maria Theresia und ihre Familie. Die Kaiserin selbst erkrankte 1767 an den Pocken, überlebte jedoch. Ihr engster Berater, Prinz Karl von Lothringen, starb an der Krankheit, ebenso wie mehrere Mitglieder der Habsburger Familie in früheren Generationen.

Medizinische Maßnahmen und Impfkampagnen
Nach den schweren Epidemien des 18. Jahrhunderts begann sich der medizinische Fortschritt langsam durchzusetzen. Eine der wichtigsten Entwicklungen war die Einführung der Variolation (eine frühe Form der Immunisierung, bei der gesunde Menschen mit abgeschwächten Pocken infiziert wurden). Maria Theresia ließ 1768 ihre eigenen Kinder gegen Pocken immunisieren – ein bahnbrechender Schritt, der das Vertrauen in diese Methode stärkte.

Kurz darauf wurde die Pockenimpfung nach der Entdeckung von Edward Jenner (1796) in Wien eingeführt und durch kaiserliche Erlasse gefördert. Ab dem frühen 19. Jahrhundert begann die organisierte Massenimpfung in Wien, wodurch die Zahl der Pockenfälle allmählich zurückging. Die ständige Bedrohung durch die Pocken beeinflusste nicht nur das medizinische System, sondern auch die Kunst und Volksfrömmigkeit Wiens. In Kirchen wurden Heilige wie Rochus und Sebastian besonders verehrt, da sie als Schutzpatrone gegen Seuchen galten. Zudem entwickelten sich zahlreiche Hausmittel und Amulette, die Schutz vor der Krankheit bieten sollten.

Die Erfahrung mit den Pocken und die Einführung der Impfung zeigten erstmals, dass Epidemien nicht nur durch Quarantäne, sondern auch durch gezielte medizinische Maßnahmen bekämpft werden konnten – ein entscheidender Schritt in der Gesundheitsgeschichte Wiens.

Cholera

Obwohl die großen Cholera-Epidemien erst im 19. Jahrhundert auftraten, gab es bereits im Barock vereinzelte Ausbrüche. Die Krankheit verbreitete sich durch kontaminiertes Wasser und führte zu schweren Durchfallerkrankungen. Mangels Kenntnis über die genaue Übertragungsweise wurden oft falsche Maßnahmen ergriffen, die die Ausbreitung nicht effektiv eindämmten.

 

Medizinisches Wissen und Hygienepraktiken

Miasmenlehre

Die Miasmenlehre dominierte das medizinische Denken im Barock. Man glaubte, dass Krankheiten durch "schlechte Luft" oder Ausdünstungen von verunreinigten Böden und Gewässern verursacht würden. Diese Theorie beeinflusste städtische Planungen und Hygienemaßnahmen maßgeblich. Beispielsweise wurden in Wien nach Epidemien Maßnahmen zur Verbesserung der städtischen Hygiene ergriffen, wie der Bau von Kanälen zur Ableitung von Abwässern.

Körperhygiene

Im Barock war das regelmäßige Baden unüblich. Man fürchtete, dass Wasser die Haut durchlässig mache und so Krankheiten eindringen könnten. Stattdessen rieb man den Körper mit trockenen Tüchern ab und nutzte Parfüm, um Körpergerüche zu überdecken. Waschschüsseln aus Zinn dienten zur Reinigung von Gesicht und Händen, während der restliche Körper selten gewaschen wurde.

Sanitäranlagen

Feste Toiletten waren selten. Stattdessen nutzte man tragbare Leibstühle oder "Retiraden", die bei Bedarf in die Räume gebracht wurden. Diese mobilen Toiletten bestanden aus einem Stuhl mit integriertem Nachttopf, der von Dienern entleert wurde. Badezimmer im heutigen Sinne existierten nicht; stattdessen gab es kleine Kammern oder Nischen für die Körperpflege.

 

Volksmedizin und Schutzmaßnahmen

Amulette und Schutzgegenstände

In Zeiten hoher Krankheitslast griff die Bevölkerung oft auf Amulette und Talismane zurück, die Schutz vor Krankheiten bieten sollten. Diese Objekte, wie das "Agnus Dei" (geweihte Wachsstücke mit dem Lamm-Gottes-Symbol) oder der "Donnerkeil" (fossile Donnerkeile), wurden am Körper getragen oder im Haus platziert, um Unheil abzuwehren. Mehr Informationen finden Sie in dem Artikel: Amulette im Barock

Räuchern und Duftstoffe

Aufgrund des Glaubens an die Miasmenlehre wurden Räume regelmäßig geräuchert, um die Luft von schädlichen Ausdünstungen zu reinigen. Dabei kamen duftende Kräuter wie Wacholder zum Einsatz. Parfüme und Duftwässer dienten nicht nur der Überdeckung von Gerüchen, sondern galten auch als Mittel zur Stärkung des Körpers und Reinigung der Umgebungsluft.

 

Gesellschaftliche Auswirkungen

Die ständige Bedrohung durch Krankheiten prägte das soziale und kulturelle Leben im Barock. Religiöse Prozessionen und Wallfahrten wurden als Mittel gesehen, göttlichen Beistand gegen Seuchen zu erlangen. Gleichzeitig führten Epidemien zu sozialen Spannungen, insbesondere wenn bestimmte Bevölkerungsgruppen als Sündenböcke für Krankheitsausbrüche verantwortlich gemacht wurden.

Fazit

Die Barockzeit war eine Epoche großer kultureller Leistungen, aber auch erheblicher gesundheitlicher Herausforderungen. Die begrenzten medizinischen Kenntnisse und hygienischen Standards jener Zeit führten zu hohen Krankheits- und Sterberaten. Dennoch legten die Erfahrungen mit Epidemien den Grundstein für spätere Fortschritte in Medizin und öffentlicher Gesundheit.

 

Quellen und Danksagung

Quellen

Die Recherche für diesen Artikel stützte sich auf verschiedene historische und volkskundliche Quellen, insbesondere aus dem mitteleuropäischen Raum. Besonders wertvoll waren Informationen aus den folgenden Institutionen:

Zusätzlich wurden historische und volkskundliche Werke der folgenden Autoren herangezogen:

  • Josef Bartelt – Forschungen zur Geschichte der Medizin in Mitteleuropa
  • Helmuth Nemec – Studien zur Seuchengeschichte und Medizingeschichte der Frühen Neuzeit
  • Peter Weninger – Untersuchungen zum Alltagsleben und Gesundheitswesen im Barock
  • Manfred Brauneck – Kulturelle und soziale Auswirkungen von Epidemien in der Barockzeit
  • Liselotte Hansmann – Forschungen zur Volksmedizin und Heilpraktiken des 17. und 18. Jahrhunderts
  • Lenz Kriss-Rettenbeck – Studien zur religiösen Volkskunst und Schutzamulette gegen Krankheiten

Danksagung

Besonderer Dank gilt den wissenschaftlichen Mitarbeitern der oben genannten Institutionen sowie den Historikern, die sich intensiv mit den medizinischen und kulturellen Herausforderungen des Barockzeitalters befasst haben. Ihre Forschungen und Archivarbeiten haben wesentlich zum Verständnis der damaligen Krankheitsbekämpfung beigetragen.

Ebenso danke ich den Bibliotheken und digitalen Archiven, die wertvolle historische Quellen zugänglich machen, darunter das Österreichische Staatsarchiv und die Bayerische Staatsbibliothek, deren Dokumentensammlungen wertvolle Einblicke in die Gesundheitsgeschichte des Barock liefern.

Dieser Artikel ist eine Zusammenfassung historischer Forschungsergebnisse und soll zur weiteren Auseinandersetzung mit der Medizingeschichte des Barock anregen.

 

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