Amulette im Barock – Schutz und Symbolik einer bewegten Epoche

Der Barock, eine Epoche, die sich vom 17. bis ins frühe 18. Jahrhundert erstreckte, war geprägt von tiefgreifenden politischen, religiösen und gesellschaftlichen Umbrüchen. In dieser Zeit fanden Amulette – kleine, tragbare Objekte mit schützender oder heilender Funktion – breite Anwendung, sowohl in der Volkskultur als auch in den gehobenen Schichten. Diese kleinen Objekte boten nicht nur Schutz vor Krankheit und Unglück, sondern reflektierten auch die Weltanschauungen und den Volksglauben der Zeit.
Was sind Amulette?
Amulette sind tragbare Objekte, die ihren Trägern magische oder schützende Kräfte zuschrieben. Im Barock wurden sie entweder am Körper getragen, in Kleidung eingenäht oder im Wohnraum platziert. Sie waren oft aus Materialien wie Metall, Stein, Holz oder Papier gefertigt und trugen Symbole, Inschriften oder Heiligenbilder. Während manche Amulette sakraler Natur waren, etwa Reliquienkapseln, entsprangen andere heidnischen Traditionen, wie der Verwendung bestimmter Steine, Pflanzen oder Tierknochen.
Amulette im Volksglauben und Volksmedizin
Die Volkskultur des Barock war von einem tiefen Glauben an übernaturale Kräfte und schützende Rituale durchdrungen. Der alpenländische Raum, insbesondere die Gebiete Österreichs und Bayerns, bot einen fruchtbaren Boden für den Glauben an Amulette. Viele Menschen trugen Amulette als Schutz vor Hexen, dem "Bösen Blick" oder Krankheiten wie der Pest.
Ein bekanntes Beispiel waren sogenannte Hexensteine, fossile Ammoniten, die als Schutz vor Verwünschungen dienten. In Tirol und Bayern galten auch geweihte Medaillen, oft mit Darstellungen der Jungfrau Maria oder des Heiligen Nepomuk, als effektive Schutzmittel.
Ein weiteres Beispiel aus der Volksmedizin war die Fraisenkette, ein Amulett, das speziell für Kinder angefertigt wurde. Es bestand aus einer Kette mit Anhängern wie Korallen, Perlen, kleinen Kreuzen oder Medaillen, die Schutz vor den sogenannten Fraisen (Krämpfen) bieten sollten. Die roten Korallen galten als besonders wirkungsvoll, um Kinder vor Krankheit und Gefahren zu bewahren.
Amulette und ihre Bedeutungen
Die Vielfalt der Amulette im Barock war beeindruckend. Hier einige Beispiele mit ihren spezifischen Bedeutungen und Funktionen:
- Adlerstein: Toneisenstein mit Einschluss. Auch Klapperstein genannt - in seltener Stein, der in Adlernestern gefunden worden sein soll. Er wurde als Schutz vor Krankheiten geschätzt.
- Agnus Dei: Geweihte Wachsstücke mit dem Lamm-Gottes-Symbol dienten als Schutz vor Naturkatastrophen und Krankheit.
- Bergkristall: Die Klarheit des Bergkristalls in Silber gefasst, sollte dem kranken Augenlicht helfen.
- Bezoar: Dieser Magenstein von Tieren wurde als Schutz gegen Gifte und Krankheiten verwendet. Ihm wurde nachgesagt, giftige Substanzen zu neutralisieren.
- Blutstein: Steine aus Hämatit wurden abgeschabt und in Pulverform eingenommen. Das sollte bei Blutarmut und inneren Blutungen Hilfe bringen. Durch den starken Eisengehalt des Hämatit war die Verwendung durchwegs sinnvoll. Durch seine rotbraune Farbe sollte er gegen Bluterkrankungen nützlich sein.
- Breverl: Schriftamulette mit eingewickelten Gebeten oder Heiligenbildern, oft in Stoff oder Silber eingeschlossen.
- Donnerkeil: Eine prähistorische Pfeilspitze aus Feuerstein, in Silber gefaßt hilft gegen Blitzschlag und Ungewitter.
- Fraisenstein: Kleine Figuren oder Reliefs aus Ton, das abgeschabte Pulver wurde in Speisen und Getränken eingenommen.
- Geistliches Schild: Ein kleines Amulett-Buch mit magischen Zeichen und Formeln, Zachariassegen, Gebeten und Heiligenbildern, das umfassenden Schutz versprach.
- Krätzenstein: Steine mit versteinerten Muscheln und Sternkorallen in Silber gefaßt, dienten zum Vertreiben von Kinderkrätze und Ausschlägen.
- Malachit: Malachit galt als Schutzstein gegen böse Einflüsse und wurde oft in Form eines Kreuzes (Wehenkreuz) oder Herzens getragen.
- Krebsaugen: Sie wurden in den Augenbindehautsack gelegt, um Augenkrankheiten zu heilen. Aber auch Tiere bekamen es pulverisiert gegen innere Hitze.
- Maulwurfskralle oder Schergreberl: Die rechte Maulwurfspfote, die vom noch lebenden Tier abgebissen werden musste. Es sollte Zahnschmerzen insbesondere bei Kindern lindern und war daher häufig an einer Fraisenkette zu finden.
- Natternzunge (Haifischzähne): Fossile Haifischzähne galten als Schutz vor Gift und Verzauberung. Sie wurden häufig als Anhänger mit Silberfassung in Ketten integriert oder auf Korallenästen gehängt.
- Neidfeige: Ein Amulett in Form einer Handgeste, das Schutz vor Neid und bösen Blicken bot, als Materialien dienten rote Koralle und Elfenbein.
- Reliquienkreuz: Kreuze, die Reliquien von Heiligen enthielten galten als kraftvolle Schutzamulette.
- Schabmadonna: Kleine Figuren oder Reliefs der Muttergottes aus Ton, das abgeschabte Pulver wurde in Speisen und Getränken eingenommen.
- Schreckstein: Als Material diente Serpentin, Karniol, Achat oder Malachit. Mandelförmig geschliffen, in Silber gefaßt, wurden sie mit der Spitze nach unten angehängt. Sie dienten zur Verhütung von Schreck, der Krämpfe (Epilepsie) auslösen konnte und sollte auch die vielen als sogenannte „Fraisen“ vorkommenden Kinderkrankheiten vertreiben.
- Walburgisdöschen: Kleiner Behälter mit geweihten Substanzen oder Reliquien, die oft auf Reisen mitgeführt wurden.
Funktion und Nutzung
Amulette im Barock wurden vielseitig genutzt. Zu den häufigsten Funktionen zählten:
- Schutz vor Krankheiten: Besonders während der Pestepidemien trugen viele Menschen Amulette mit geweihtem Inhalt, in der Hoffnung, der Krankheit zu entgehen. Ein Beispiel hierfür waren Pestkreuze und kleine, tragbare Holzkreuze.
- Schutz vor Hexerei: Der Glaube an Hexen war im Barock weit verbreitet. Gegen vermeintliche Verfluchungen kamen Amulette mit Schutzsymbolen oder geweihte Gegenstände zum Einsatz.
- Reiseschutz: Besonders populär waren Amulette mit Darstellungen des Heiligen Christophorus, des Schutzpatrons der Reisenden und des heiligen Nepomuk.
- Kinderschutz: Die Fraisenkette war eines der bekanntesten Amulette für Kinder. Die roten Korallen und Anhänger sollten Schutz vor Krämpfen und Krankheiten bieten und wurden oft von Müttern als Ausdruck ihrer Sorge und Liebe angefertigt.
- Fruchtbarkeit und Gesundheit: Im alpenländischen Raum trugen Frauen oft Amulette mit Fruchtbarkeitssymbolen, um eine sichere Schwangerschaft zu gewährleisten.
Kulturelle Bedeutung und Wandel
Amulette im Barock spiegeln die Verschmelzung von Religion, Volksglauben und praktischen Lebensanschauungen wider. Sie verdeutlichen die Unsicherheit und Gefahren, mit denen die Menschen dieser Epoche konfrontiert waren, und zeigen ihren Wunsch nach Schutz und Stabilität. Während die Kirche viele Formen des Amulettglaubens tolerierte, grenzte sie sich zugleich von magischen Praktiken ab, die als Aberglauben verurteilt wurden.
Mit dem Aufkommen der Aufklärung und der medizinischen Versorgung im späten 18. Jahrhundert begann der Amulettglaube langsam zu schwinden, doch in der Volkskultur überlebten viele Bräuche bis ins 19. Jahrhundert.
Fazit
Amulette im Barock waren weit mehr als bloßer Schmuck. Sie repräsentierten die tiefe Verbindung zwischen Glauben, Tradition und Alltagskultur. Heute bieten sie einen faszinierenden Einblick in die Denk- und Lebensweisen einer Epoche, die von Unsicherheiten und Überzeugungen gleichermaßen geprägt war. Für Ethnologen, Historiker und Sammler sind diese Objekte nicht nur Zeugnisse vergangener Zeiten, sondern auch wertvolle Quellen für das Verständnis des barocken Weltbildes.
Quellen und Danksagung
Quellen
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Museen und Sammlungen
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Fachliteratur
- Ausstellungskataloge des Dommuseums zu Salzburg: Glaube und Aberglaube: Amulette, Medaillen und Andachtsbildchen (2010)
- Bartelt, Josef: Magie und Brauchtum in den Alpen (1994), Anhänger und Amulette im Volksglauben und Volksmedizin (1960)
- Nemec, Helmuth: Schutzamulette und religiöse Volkskunst in Österreich (2002), Zauberzeichen (1976)
- Weninger, Peter: Volksmedizin im Barock: Heilung zwischen Glaube und Aberglaube (1998)
- Kriss-Rettenbeck, Lenz: Die Welt der Amulette – Magie, Glaube und Kunst (1970)
- Hansmann, Liselotte: Barocke Frömmigkeit und religiöse Volkskultur (1987)
- Brauneck, Manfred: Religiöse Volkskunst (1978)
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Spezialartikel und Archive
- Bestände des Österreichischen Volksliedwerks
- Archive des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege
Danksagung
Ein herzlicher Dank gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der oben genannten Institutionen, deren wertvolle Sammlungen und Ausstellungen die Grundlage für diesen Artikel bilden. Ein besonderer Dank geht an die Experten der Volkskunde und Kunstgeschichte, die durch ihre umfassenden Werke den Zugang zu diesem faszinierenden Thema ermöglicht haben.
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